Vor allem die Pflegeberufe sind betroffen.
In Österreich müssen (auf Grundlage der letzten Arbeitskräfteerhebungen) rund 500.000 unselbstständige Erwerbstätige Schichtarbeit leisten – 200.000 Frauen und 300.000 Männer.
Etwa zwei Drittel aller Frauen sind im Gesundheitswesen, im Handel und im Gastgewerbe tätig, die meisten Männer sind im Bereich Verkehr und Nachrichtenübermittlung, in der Metallbranche, in der öffentlichen Verwaltung und Landesverteidigung, im Gesundheitswesen, im Gastgewerbe, im Handel und im Bauwesen beschäftigt. Von den erwerbstätigen Männern in Österreich arbeiten 16 % regelmäßig am Abend in Schichten bis 20 oder 22 Uhr, 11 % leisten regelmäßig Nachtarbeit (zwischen 22 und 6 Uhr), bei den berufstätigen Frauen arbeiten 11 % am Abend und 6 % in der Nacht. Im Jahresvergleich nimmt der Anteil der Abend- und Nachtarbeiter zu.
Das Schichtarbeiter-Syndrom
Als Schichtarbeiter-Syndrom werden jene Schlafstörungen bezeichnet, die im Sinne von Schlaflosigkeit oder übermäßiger Schläfrigkeit dann auftreten, wenn die Arbeitsperiode in die übliche Schlafphase fällt oder umgekehrt. Während beim Jetlag-Syndrom die Symptome deshalb auftreten, weil die äußere Uhr gegenüber der inneren verstellt ist, liegt der Schlafstörung von Schichtarbeitern das Problem zugrunde, dass sie ihre innere Uhr gegen die äußere verstellen müssen. Und das zumeist in wöchentlichen Abständen, da die Schichten oft wöchentlich wechseln. Da es etwa eine Woche dauert, sich auf ein neues Arbeitszeitschema einzustellen, aber schon nach einer Woche wieder ein Schichtwechsel ansteht, können sich die Betroffenen nie an einen Rhythmus gewöhnen. Die innere Uhr hinkt zwangsläufig der äußeren ständig hinterher.
Mit dem Alter nehmen die durch Schichtarbeit verursachten Schlafstörungen zu. Als besonders schwierig gilt der Schichtwechsel „gegen den Uhrzeigersinn” – die Reihenfolge Nachtschicht – Spätschicht – Mittelschicht. Die meisten Schlafstörungen treten während der Nachtschicht auf. Knauth und Rutenfranz fanden in ihren Studien Anfang der 80er Jahre bei 5-30 % der Schichtarbeiter ohne Nachtschicht und bei 10-95 % der Schichtarbeiter mit Nachtschicht Schlafstörungen. Wobei im Falle von Nachtschichtarbeitern erschwerend zur Phasenverschiebung der Umstand hinzukommt, dass ihre erforderliche Ruhephase in die Aktivitätsphase ihrer Umwelt fällt.
Das hat einerseits mehr aktivierende Helligkeit und einen höheren Geräuschpegel zur Folge, andererseits kollidiert dieser Rhythmus auch mit sozialen und familiären Erfordernissen, was insgesamt zu einer Schlafverkürzung und einer schlechteren Schlafqualität aber auch zu sozialer Isolierung und psychischen Problemen führt.
Knauth hat die Unterschiede zwischen einem üblichen Nachtschlaf und dem Tagesschlaf nach einer Nachtschicht im Schlaflabor objektiviert: Beim Schlaf nach einer Nachtschicht war die Gesamtschlafzeit herabgesetzt, das Schlafstadium S2 war reduziert, außerdem zeigten sich Veränderungen des REM-Schlafes, der u. a. für die Merkfähigkeit von großer Bedeutung ist.
Die Schlafverkürzung führt logischerweise zu einer erhöhten Schlafschuld, die wiederum eine Tagesmüdigkeit mit erhöhter Einschlafneigung, Konzentrationsstörungen und ein Nachlassen der Reaktionsgeschwindigkeit zur Folge hat. Angesichts dieser Spirale ist es nicht weiter verwunderlich, dass sich Katastrophen wie das Aufgrundlaufen der „Exxon Valdez” oder der Reaktorunfall von Tschernobyl während Nachtschichten ereigneten. Verwunderlich ist vielmehr, dass nicht mehr passiert.
Zum Glück sind nicht alle Auswirkungen des Schichtarbeiter-Syndroms so folgenschwer, doch auch die von den Betroffenen berichteten Symptome wie Einschlafstörungen, Durchschlafstörungen, Ausschlafstörungen, Schlafverkürzung, Tagesmüdigkeit, subjektiv schlechtere Schlafqualität, erhöhte Reizbarkeit und Leistungsminderung, vermehrte körperliche Beschwerden, eine größere Krankheitsanfälligkeit und nicht zuletzt ein erhöhtes Unfallrisiko reichen aus, die Befindlichkeit und Lebensqualität der Betroffenen empfindlich zu beeinträchtigen.
Eine Behandlung des Schichtarbeiter-Syndroms ist so lange nicht wirklich möglich, solange die Schichtarbeit weiter besteht. Allerdings gibt es Maßnahmen zur Besserung der Situation:
Schichtwechsel im Uhrzeigersinn sind „verträglicher” als jene gegen den Uhrzeigersinn
Einzeln verteilte Nachtschichten oder kürzere Nachtschichtblöcke sind aus schlafmedizinischer und arbeitsmedizinischer Sicht zu befürworten.
Um den Tagschlaf zu optimieren, ist ein dunkler und möglichst ruhiger Raum erforderlich (Jalousien, dicke Vorhänge, Lärmschutzfenster, im Sommer eventuell Klimaanlage, um die Fenster geschlossen halten zu können).
„Vorschlafen”, um eine bevorstehende Nachtschicht besser zu überstehen ist nur bedingt möglich, doch ein Schläfchen von nur einer dreiviertel Stunde kann den Schlafdruck abbauen und verbessert die Aufmerksamkeit für die nächsten sechs Stunden.
Biologisch aktives Licht (zwischen 2.500 und 10.000 Lux) verbessert die Aufmerksamkeit am Arbeitsplatz – auch Nachts! Deshalb sollten alle Arbeitsplätze in der Nachtzeit sehr hell ausgeleuchtet sein!
Vorsicht bei Alkohol!
Ungeeignet und potenziell gefährlich für die Gesundheit ist Schichtarbeit bei Personen mit:
Magen-Darm-Erkrankungen,
Schilddrüsenfunktionsstörungen,
psychischen Störungen,
instabiler Zuckerkrankheit,
Herz-Kreislauf-Erkrankungen
schweren Lungenfunktionsstörungen
Die Suche nach dem Ausweg
Zunächst gilt es, Schichtpläne neu zu gestalten. Eine günstige Variante ist die „Vorwärtsrotation“: Auf Spätdienst folgen Arbeit in der Früh, danach Nachtdienst und schließlich die freien Tage. So wird versucht, den Zyklus nach vor zu schieben und dadurch eine gewisse Regelmäßigkeit zu erzielen. Ein wichtiges Prinzip ist, nicht zu viele Nachtdienste hintereinander zu leisten, weil es sonst zu einer Umstellung des Körpers kommt – ganz so wie bei einer Reise in andere Zeitzonen, die wir als „Jet lag“ kennen. Der Organismus ist dann falsch synchronisiert und benötigt einige Tage um sich nach Wegfall der Nachtarbeit wieder umzustellen.
Deshalb sollte das bisher in Österreich geltende, oft starre System der Schichtdienste überdacht werden. Statt wie bisher die Dienste um 6 Uhr früh, um 14 Uhr und um 22 Uhr beginnen zu lassen sollte an ein Modell gedacht werden, das um 8, 16 und 24 Uhr beginnt. Der Grund dafür: Zwischen 8 und 16 Uhr bestehen keine Probleme, es handelt sich um eine übliche Arbeitszeit. Wer bis 24 Uhr arbeitet, erreicht in aller Regel noch immer einen normalen Schlafzyklus. Und wessen Schicht um 24 Uhr beginnt, kann seinen Dienst bereits mit fünf bis sechs Stunden Schlaf antreten, wodurch sich ein wesentlich verbesserter Wachzustand ergibt.