Manchmal darf auch die Wissenschaft vor der Volksmedizin den Hut ziehen. Erinnern Sie sich noch? Wenn man – wie in diesen Tagen – ziemlich häufig vor sich hinschnupfte und hustete, hatte Oma stets ein probates Hausmittel zur Hand: Schlaf dich gesund! Humbug oder Wahrheit? Heute wissen wir es – bestätigt durch zahlreiche Studien: Oma hatte Recht! „Dr. Schlaf“ ist oft die beste Medizin.
Schlaf ist tatsächlich das Lebenselixier, das auch unser Immunsystem auf Trab bringt. Wer zu wenig oder zu schlecht schläft, dessen Körperabwehr tritt in den Streik. Wissenschaftler der Carnegie Universität in Pittsburgh (USA) haben es beispielsweise bewiesen: Schläft man weniger als sieben Stunden, steigt das Risiko, sich eine Erkältung zu holen, mehr als deutlich an.
Die Pittsburgh-Studie:
Das Team der Carnegie-Uni hatte mehrere hundert Personen über einen Zeitraum von fünf Jahren untersucht. Zahlreiche Freiwillige wurden dabei mit dem so genannten Rhinovirus infiziert, das eine „normale“ Erkältung auslösen kann. Das erstaunliche Ergebnis: Je weniger ein Versuchsteilnehmer schlief, umso eher kam es zur Verkühlung. Oder anders gesagt: Die Wahrscheinlichkeit für rinnende Nase, kratzenden Hals und Gliederschmerzen verfünffachte sich im Vergleich zu jenen, die sich mindestens acht Stunden Schlaf gönnten.
Die Lübeck-Studie:
Auch Forscher der Universität Lübeck machten eine bemerkenswerte Entdeckung. Dort bekamen Probanden eine Hepatitis- A-Impfung, wobei eine Hälfte der Teilnehmer sofort schlafen durfte, währen die andere Hälfte erst nach 24 Stunden zu Bett gehen konnten. Das Resultat des Tests war ebenfalls mehr als erstaunlich. Jene Menschen, die unmittelbar nach der Impfung schliefen, hatten bei Kontrolluntersuchungen doppelt so viele Antikörper gegen den Hepatitis-Erreger gebildet wie die Gruppe mit verzögertem Schlaf.
Immunsystem im Schlaf:
Erst nach und nach kommt die Schlafmedizin hinter diese Geheimnisse. Sicher ist bisher: Im Schlaf arbeitet unser Immunsystem sozusagen auf Hochtouren. Im Tiefschlaf werden immunaktive Stoffe, auch als „Körperpolizei“ bezeichnet, in sehr großer Zahl ausgeschüttet. Damit wird eben das Abwehrsystem entscheidend verbessert – und die Chance, einem grippalen Infekt zu entkommen, steigt recht ordentlich an. Zusätzliche Beobachtungen haben außerdem gezeigt, dass Antikörper als Bestandteile der Abwehr von Krankheiten schon nach nur sechs Tagen mit Schlafmangel nicht mehr ausreichend reagieren können; zudem sinkt ihre Anzahl oft dramatisch ab. Natürliche Killer- und Fresszellen sind dagegen im Schlaf aktiver und schützen somit unseren Organismus.
Man könnte es auch so auf den Punkt bringen: Selbst ein mäßiger Schlafentzug begünstigt bereits unterschwellige Entzündungen. Eine schlimme Vorstellung, wenn man bedenkt, dass wir statt der erwünschten acht bis neun Stunden durchschnittlich ohnehin auf nur mehr knapp sechs Stunden Schlaf pro Nacht kommen. Und hätten Sie sich das gedacht?
Nicht weniger als 711 Gene werden – nach einer Studie der britischen Universität von Surrey – durch Schlafmangel verändert. Das sind immerhin mehr als drei Prozent unserer Erbsubstanz. Betroffen waren dabei vor allem – wen wundert’s jetzt noch? – Erbgutsequenzen, die für Entzündungen, Immun- und Stressreaktionen sowie für den Tag-Nacht- Rhythmus verantwortlich sind oder den Stoffwechsel steuern.
Schlussfolgerung:
Wenn also in der nächsten Zeit die „Grippe“ mit Schnupfen und Husten droht, wenn etwa am späteren Nachmittag die Körpertemperatur über 37 Grad steigt (jetzt beginnt das Immunsystem auf Hochtouren zu arbeiten), dann ist wohl der rasche Schlaf angesagt. Übrigens: Schlaf nützt nicht nur dem Menschen, auch Tiere scheinen von einem dadurch verbesserten Immunsystem zu profitieren. Zoologen des Max- Planck-Instituts in Leipzig haben nämlich nachgewiesen, dass eine Reihe von Säugetierarten, darunter Schafe, Meerschweinchen und Schimpansen, durch ausreichenden Schlaf die Leukozyten-Konzentration im Blut vermehren konnte, womit die Immunkraft verstärkt wurde. Zudem zeigten Tiere mit einer langen Schlafdauer weitaus weniger Parasitenbefall als die Vergleichsgruppen.