Da fragt sich Paulchen Panther, die Zeichentrickfigur aus dem TV, schon seit seinem Geburtsjahr 1963 mit schöner Regelmäßigkeit, wer denn da an der Uhr gedreht hat – und weiß es immer noch nicht. War es etwa Benjamin Franklin, der bereits 1784 als Erster die Idee einer „eingestellten“ Uhrzeit äußerte, um eine Energieersparnis zu bewirken? War es die englische Regierung, die als Folge der verheerenden Finanzen nach dem ersten Weltkrieg eine „British Summer Time“ verabschiedete? Oder war (und ist) es die EU, die sowieso für alles herhalten muss?
Und so schürft auch unsereins gar oft nachdenklich nach dem Sinn der zweimaligen Zeitumstellung pro Jahr. Das taten denn auch 4,6 Millionen Teilnehmer der EU-Online-Umfrage, die sich zu 84 Prozent gegen die Zeitumstellung ausgesprochen haben. Freilich: Das Teilnehmerfeld bedeutete weniger als ein Prozent der EU-Bürger. Repräsentativ sieht anders aus … Dazu kommen nun auch noch mahnende Zeigefinger der Wissenschaft und das ebenso häufige – aber gleichmütige – Achselzucken anderer Forscher. Ja, was nun? Ist die Umstellung von Winter- auf Sommerzeit und umgekehrt ein Problem oder nicht?
Wer sich durch den Dschungel an Publikationen wühlt, wird rasch zur Erkenntnis gelangen: Die einen sagen so, die anderen so. Und die Dritten nehmen es ganz besonders dramatisch. Will heißen: Forscher in Deutschland, zumal an der Universität München, ziehen gar die Reißleine und malen für den Fall einer permanenten Einführung der Sommerzeit (bei tatsächlich nur einer Stunde Unterschied zur Winterzeit!) den Gottseibeiuns an die Wand. Riesige Probleme würden auf uns zukommen, heißt es, weil es dann in der Früh ja länger dunkel sei. Eine hohe Wahrscheinlichkeit für Diabetes, Depressionen, Schlaf- und Lernproblemen müsste dadurch entstehen – die Europäer würden somit dicker, dümmer und grantiger werden. Da denkt man sich: Ja haben die verehrten Kollegen dabei ganz und gar darauf vergessen, dass der Mensch unglaublich adaptationsfähig ist? Die Umstellung der Zeit mag tatsächlich so manchem für zwei, drei Tage lästig erscheinen, nachhaltige Beschwerden konnten aber nie stichhaltig bewiesen werden.
Nur ein Beispiel: In Wien geht die Sonne heuer am 30. Juni um 04.57 Uhr auf, in Bregenz erst um 05.27 Uhr, es wird also um eine halbe Stunde später hell. Haben die Vorarlberger deshalb eine um 50 Prozent höhere Wahrscheinlichkeit dicker, dümmer und grantiger zu sein, als die Wiener? Noch schlimmer würde es – als anderes Beispiel – die Isländer erwischen, die sich mit England in derselben Zeitzone befinden. Dort geht die Sonne Ende Juni, obwohl Island deutlich westlicher liegt, wegen seiner nördlichen Position schon um 03.03 Uhr auf, London hinkt mit 04.47 Uhr mehr als eineinhalb Stunden hinterher. Also ein rund 150 Prozent erhöhtes Risiko für: Siehe oben?
Scherz beiseite, lassen wir die Kirche lieber im Dorf und bei den Fakten.
Zahlreiche Studien haben belegt, dass die zweimal jährlich stattfindenden Zeitumstellungen zwar zu einer Art Mini-Jetlag führen, die Auswirkungen für den Menschen sind dennoch weitaus geringer, als zunächst befürchtet. So konnten etwa Unkenrufe von wegen steigender Zahl an Verkehrsunfällen in den Tagen nach den Zeitänderungen entkräftet werden. Gleiches galt im Übrigen auch für Arbeitsunfälle. An der University of Minnesota (USA) kam man sogar zum Schluss, dass durch die „daylight saving time“ die Zahl der Verkehrsunfälle im Sommer reduziert wird, weil Autofahrer dank mehr Tageslicht eben auch besser Sicht hätten, während umfangreiche und 25 Jahre (!) dauernde Untersuchungen von finnischen Experten ergaben, dass ein Wechsel der Zeit um eine Stunde (egal, ob nach vor oder zurück) weder zu einer Erhöhung der Unfallrate führt, noch konnte – als anderes Exempel – eine Zunahme manischer Erkrankungen festgestellt werden. Gelegentlich tauchen Studien auf, die nach der Umstellung auf die Sommerzeit ein mehrprozentiges Ansteigen an Herzinfarkten und Schlaganfällen beschreiben, während diese Erkrankungen beim Wechsel in die Winterzeit um minimale Prozente zurückgehen sollen. Über die Ursachen dieser Phänomene, die von anderen Arbeitsgruppen übrigens bestritten werden, darf gerätselt werden. Vermutlich ist es ein tageslichtbezogenes Minus am Schlafkonto, welches sich im Frühling negativ auf den Organismus auswirken kann. Zieht man also wissenschaftliche Bilanz und bringt es auf den Punkt, wird nur eines klar: Klar ist gar nichts.
Jede Zeit, sommers wie winters, hat demnach ihre Vor- und mitunter auch Nachteile.
Rentiert sich daher das Drehen an der Uhr überhaupt? Die Theorie von wegen Energiesparen hat sich längst als Flop entpuppt. Ein Wechsel der Zeit scheint aus diesem Grund absolut entbehrlich, vor allem aber auch dann, wenn man wieder in die Statistikkiste greift: Die Schwierigkeiten mit der Anpassung des Biorhythmus sind in den vergangenen Jahren unbestritten mehr in den Fokus der Öffentlichkeit – und der Politik – gerückt. Durch diese verstärkte Präsenz werden aber die eigenen Probleme eher wahrgenommen. Eine deutsche Beobachtung hat aufgezeigt, dass Frauen zu 37 Prozent öfter Probleme mit der Zeitumstellung hatten als Männer (21 Prozent). Am häufigsten leiden offenbar die 45- bis 59jährigen (33 Prozent). Die meisten von ihnen (81 Prozent) waren müde oder schlapp, zwei Drittel hatten Schlafprobleme. Schlechter konzentriert zeigten sich 44 Prozent und 43 Prozent gaben an, vermehrt gereizt zu sein. Jeder Zehnte litt unter depressiver Verstimmung und jeder Fünfte kam nach der Umstellung verspätet zur Arbeit.
Was aber auch in dieser Studie offen bleibt, ist die entscheidende Frage: War tatsächlich die Zeit der entscheidende Faktor, oder spielte auch anderes mit hinein? Nichts zu deuteln gibt es daran, dass sich der Einzelne ganz subjektiv mit dem Zeitwechsel schwer tun kann: Konzentrationsstörungen und Unaufmerksamkeit, eine aus dem Takt geratene Chronobiologie, somit Schläfrigkeit und unpassende Gähnanfälle sind meist die Folge – doch im Allgemeinen verschwinden sie nach wenigen Tagen. Dann hat sich der Organismus an den neuen Stundentakt gewöhnt. Anders natürlich im Tierreich. Mangels Kenntnis der Uhr haben Hund und Katz, Federvieh und Rind einen starren Zeitrhythmus, Letztere vertrauen ganz besonders auf die pünktlich Hand des Melkers und Fütterers. Unsere Bauern wissen ein Lied davon zu singen, dass die geänderte Zeit mitunter zu einigem Stress im Stall führen kann. Der Versuch einer Zeitumstellungs-Analyse endet zwangsläufig mit Althergebrachtem: Egal welche Zeit, egal welche Zeitzone – entscheidend ist die Regelmäßigkeit des Schlaf/Wach-Rhythmus. Das kann die Wissenschaft jedenfalls eindeutig belegen: Ein Bäcker, der täglich um, sagen wir, zwei Uhr früh aufsteht, hat sich längst daran gewöhnt und damit auch keine Schwierigkeiten, der Schichtarbeiter mit stark unterschiedlichen Tätigkeitsperioden (Früh, Nachmittag, Nacht usw.) läuft aber Gefahr, am so genannten Schichtarbeitersyndrom zu erkranken, mit deutlich höher Raten an Herzinfarkten, Schlaganfällen, Brust- oder auch Prostatakrebs.
Und wenn schon fixe Zeit: Welche soll es denn sein?
Über die „Winterzeit“ gibt es gar nicht viel zu sagen: Sie war schon immer da, gewissermaßen als Standard des Vergänglichen. Mit ihr leben wir seit eh und je. Anders die Sommerzeit. Daran mussten/müssen (?) wir uns erst gewöhnen. Wobei das letzte Wort im vorigen Satz besondere Bedeutung hat: Gewöhnung ist alles. Sollte es die starre Sommerzeit einmal geben, wird sie vom Organismus auch akzeptiert werden. Denn der Mensch ist, gottlob – und nochmals sei’s gesagt – äußert fähig, sich zu adaptieren. Sind wir erst einmal auf die neue Zeit eingestellt, darf – den warnenden Stimmen zum Trotz – wird nicht viel Negatives erwartet werden. Im Gegenteil. So kann sich die Sommerzeit – folgt man einer groß angelegten Studie, die Aktivitäten von Kindern im Alter zwischen fünf und 16 Jahren in England, Australien, den USA, Norwegen, Dänemark, Estland, Brasilien, der Schweiz und auf der portugiesischen Insel Madeira erfasste – äußerst positiv auf das Bewegungsverhalten auswirken: Ging die Sonne erst um 21 Uhr unter, so bewegten sich die Kinder um etwa 20 Prozent mehr als in der Winterzeit. Was die Studienleiterin zum Resümee veranlasste, dass dies eine der wichtigsten gesundheitsbezogenen Maßnahmen bei jüngeren Menschen sei.
Die Meinung, dass die Einführung der permanenten Sommerzeit wegen der damit verbundenen längeren Dunkelheit am Morgen generell nur negative Auswirkungen haben könnte, lässt sich also ganz und gar nicht aufrecht erhalten. Der Mensch ist nämlich absolut im Stande, Unterschiede in der Länge der Tage und Nächte während des Jahrlaufs zu kompensieren, ohne dass es zu gravierenden gesundheitlichen Problemen kommt. Was unsere Biochronologie dagegen wesentlich und mit viel mehr negativen Konsequenzen aus dem Takt bringt, ist der Trend der modernen Gesellschaft, die Nacht zum Tag zu machen – das ist die „Lichtverschmutzung“ und das ist vor allem die ungebremste Benützung von Smartphone, Laptop und Co. Die starken Blauanteile des Lichtes, mit dem die Leuchtdioden dieser Geräte ausgestattet sind, entpuppen sich als wahre Schlafräuber – und das in Zeiten, in denen der Durchschnittsösterreicher statt der notwenigen sieben bis acht Stunden ohnehin nur mehr 6,2 Stunden schläft. Schlafmangel und mit ihm auch alle anderen der 120 bisher bekannten Arten von Schlafstörungen (von A, wie Albträume bis Z, wie Zähneknirschen) ist bereits zur Volkskrankheit avanciert. Tendenz: Stark steigend.
Wir könnten also froh sein, wenn uns weitere Zeitumstellungen erspart blieben und wir – wie in der Vorenergiersparwahnära – wieder ohne Drehen am Zeiger leben dürfen. Bis es soweit sein könnte, werden aber schon noch etliche Nächte vergehen. Weil also die nächsten Zeitumstellungen Ende März und Ende Oktober mit Sicherheit noch kommen werden, hier ein einfacher Tipp zur saisonalen Eingewöhnung: An den vier Abenden vor der Umstellung auf die Sommerzeit (mit einem „Quasi-Verlust“ von 60 Minuten) wird das Bett um jeweils 15 Minuten früher aufgesucht. So lässt sich leicht in die neue Notwendigkeit einschleichen. Im Oktober ist es umgekehrt: Weil ja eine Stunde „gewonnen“ wird, können die vier Abende davor um je 15 Minuten verlängert werden. Übrigens: Dieses Schema hat sich auch in der Landwirtschaft bewährt. Wie auch immer die Diskussion um Sommer- und Winterzeit, um Beibehaltung oder Abschaffung enden wird – ein Berufsstand würde sich ohne Zweifel ganz besonders über eine fixe Zeitzone freuen: Der Uhrmacher. Ihm bleibt dann jedenfalls das aufwändige und nervige Umstellen seiner vielen Zeitmesser erspart …